Aktuelles aus dem Schulleben

„Jetzt kann ich unsere Demokratie viel mehr schätzen“ 

In der ehemaligen Synagoge Freudental diskutierten jüdische und arabische Lehrkräfte aus Israel mit Schülerinnen und Schülern der Max-Eyth-Schule Stuttgart.

Mendi Rabinowitz aus Haifa leitet eine der wenigen Schulen in Israel, an der arabische und jüdische SchülerInnen und LehrerInnen gemeinsam lernen. In Israel ist er eine prominente Persönlichkeit, er tritt seit Jahren für eine offene Gesellschaft ein. Ende Mai ist Rabinowitz mit einer Gruppe von drei jüdischen und drei arabischen Lehrkräften nach Deutschland gekommen und traf im Pädagogisch-Kulturellem Centrum, in der ehemaligen Synagoge in Freudental Schülerinnen und Schüler der Max-Eyth-Schule Stuttgart. Begleitet wurden die deutschen SchülerInnen und Lehrkräfte von Anne Gsell, Schulleiterin der Max-Eyth-Schule, und von Claudia Rugart, der Abteilungspräsidentin für Schule und Bildung am Regierungspräsidium Stuttgart. 

Auf die Frage hin, wie sie den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 erlebt habe, antwortet die jüdische Lehrerin Inbar aus Haifa: „Es war sehr, sehr gruselig. Zwei Tage lang war wirklich alles geschlossen und alle Menschen daheim. Schulen, Kindergärten und Läden, alles war zu, und wir hatten große Angst.“ Ihr Kollege Munder, ein arabischer Lehrer, ergänzt: „Die Schulen blieben 14 Tage geschlossen. Seitdem ist es schwer als arabischer Lehrer zu arbeiten. Es gibt ohnehin nur sehr wenige Schulen, an denen auch arabische Lehrer arbeiten, nicht nur Jüdinnen und Juden. Jetzt muss man ständig sehr sensibel sein im Umgang mit den Schülern. Und ich habe Familienangehörige in Gaza, wir sind arabische Christen. Ich habe aber keinen Kontakt zu meinen Angehörigen, auch nicht per Textnachricht, das wäre zu riskant.“

Der 18-jährige Lennart besucht die 12. Klasse. Letztes Jahr war er im Rahmen eines Schüleraustausches der Max-Eyth-Schule auch in Haifa. Jetzt fragt er die Lehrerinnen aus Israel, ob sie von den pro-palästinänsischen Demonstrationen in Deutschland gehört haben. Tamar, eine christliche Israelin, ist darüber informiert: „Pro-Hamas Aktionen beängstigen mich schon, nicht aber Pro-Palästina-Aktionen. Die Palästinenser kämpfen für eine legitime Sache. Allerdings werde ich als Christin von diesen Menschen auch nicht respektiert.“ Sie bittet die SchülerInnen der Max-Eyth-Schule in der Gesprächsrunde um Offenheit und einen kritischen Umgang mit den Medien: „Viele Leute sind von leeren Slogans verblendet, die sie eigentlich gar nicht verstehen. Ihr wisst, wohin Euch die sozialen Medien bringen können. Zum Beispiel wissen viele Leute gar nicht, was es bedeutet, wenn in den sozialen Netzwerken der Slogan „Free Palestine“ und „From the River to the Sea“ geteilt wird. Gemeint ist damit ein Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer -  also …“ Tamar zuckt die Schultern und bringt ihren Satz nicht zu Ende. Der Slogan beschwört das Ende des Staates Israel und die Herrschaft Palästinas über das bis jetzt israelische Territorium. 

Rona, ihre jüdische Kollegin, ergänzt: „Die Leute in Gaza und im Westjordanland verdienen es eins zu werden und einen eigenen Staat zu haben. Aber die Hamas muss demilitarisiert und entwaffnet werden. Über die Veränderungen in der israelischen Gesellschaft seit dem Überfall der Hamas berichtet sie: „Es geht ein Riss durch unser Land, durch unsere Freundeskreise und sogar durch unsere Familien. Alle werden extremer in ihren Meinungen. Die israelische Gesellschaft driftet seit dem 7. Oktober politisch nach rechts und kein Politiker möchte Verantwortung für die Zukunft unseres Landes übernehmen. Es geht nur noch ums Siegen und Töten und Waffen kann man zur Verteidigung oder zum Angriff nutzen...“

„Könnte Jerusalem ein neutraler Staat werden?“ fragt Finn, der ebenfalls beim Schüleraustausch dabei war. „Es wäre ein Traum, wenn Jerusalem eine neutrale Zone werden könnte! Aber für die Moslems ist Jerusalem ihre ewige Stadt und für die Juden ist Jerusalem genauso wichtig. Die Politisierung der Religion ist toxisch!“ antwortet Tamar. Sie erzählt, dass Christen, Juden und Moslems in Israel wenig Berührungspunkte haben. Ehen zwischen Angehörigen verschiedener Religionen sind schlecht angesehen und auch die meisten Schulen nehmen nur SchülerInnen und LehrerInnen einer Religion auf. Religion und Staat aber sind in Israel untrennbar miteinander verbunden. 

Abschließend lobte Abteilungspräsidentin Claudia Rugart die anwesenden SchülerInnen des Beruflichen Gymnasiums der Max-Eyth-Schule: „Wir haben sehr kluge SchülerInnen und auch ganz besondere Berufliche Schulen in Baden-Württemberg!“ hob sie hervor. Rugart ist ehrenamtliche Projektleiterin bei SCORA (Schools Opposing Racism and Antisemitism) und hat die Kontakte zu den Israelis geknüpft. 

„Nach diesen Gesprächen kann ich unsere eigene Demokratie viel mehr schätzen“ sagt die 18-jährige Schülerin Alisa auf dem Heimweg nach Stuttgart. „Ich fand es interessant, dass es in Israel keine Verfassung bzw. kein Grundgesetz wie in Deutschland  gibt. Deshalb stehen die Menschenrechte dort auch nicht in der Verfassung.“